tibetische Klöster und Mönche

tibetische Klöster und Mönche
tibetische Klöster und Mönche
 
Der berühmte Tantriker und Gelehrte Padmasambhava, der wahrscheinlich aus dem nordwestlichen Kaschmir stammte und im 8. Jahrhundert lebte, gilt als der Wegbereiter des tibetischen tantrischen Buddhismus. Kenntnis über sein Leben erhalten wir durch eine von seiner Schülerin, der tibetischen Prinzessin Yeshe Tsogyal, verfassten Biographie, die jedoch legendenhaften Charakter hat und in manchen Schilderungen auch an Buddhas Lebensweg erinnert. Allerdings gibt es verschiedene Hinweise, die die geschichtlichen Existenz des buddhistischen Gelehrten belegen können. So heißt es etwa, dass der damalige tibetische König Trisrong Detsen und der in Tibet lebende indische Gelehrte Shantarakshita den berühmten Lehrer nach Tibet gebeten hätten, um dort die unheilvollen Dämonen zu bannen. Dem lagen wohl die bei Hofe stattfindenden Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Adelssippen, die zum größten Teil dem alten Bon-Glauben angehörten, zugrunde. Padmasambhavasoll sich einige Jahre in Tibet aufgehalten haben, wo er verschiedene Schriften - unter anderem auch das »Tibetische Totenbuch« - verfasste. Den gemeinsamen Bemühungen der beiden indischen Gelehrten und des tibetischen Königs ist es zu verdanken, dass der Buddhismus nun in Tibet Wurzeln schlagen konnte. In der Folgezeit sollten auch andere bedeutende indische Gelehrte nach Tibet kommen. Sie waren dort vor allem als Übersetzer buddhistischer Schriften tätig. Padmasambhava gilt als Begründer der Alten Schule des tibetischen Buddhismus. Diese auch als Nyingmapa-Schule bekannte buddhistische Richtung beruht vor allem auf den geheimen Lehren der Tantras und Termas (=geheime Lehrtexte mit dazugehörigen Ritualen).
 
Im 9. Jahrhundert konnte sich noch einmal das alte tibetische Bon-Priestertum am Hofe durchsetzen, was dazu führte, dass der Buddhismus der »Alten Schule« weitgehend aus Zentraltibet verdrängt wurde. Zu einer zweiten Verbreitung dieser buddhistischen Richtung kam es erst fast zweihundert Jahre später vom westtibetischen Königreich Guge aus. In der Folgezeit entstanden im 11. Jahrhundert drei verschiedene bedeutende tibetische Hauptschulrichtungen, die sich wieder direkt an die indische Tradition anlehnten: die Sakyapa-, die Kagyüpa- und die Gelugpa-Schule.
 
Der Sakyapa-Orden erhielt seinen Namen nach dem Mutterkloster Sakya (Graue Erde). Die Tätigkeit dieses Ordens geht auf den großen tibetischen Gelehrten und Übersetzer Dogmi (* 992, ✝ 1072) zurück. Der Begründer dieser Schule war Khön Köntschog Gyalpo (* 1034, ✝ 1102). Im Unterschied zu den meisten anderen Klostergemeinschaften wird der Abt des Sakya-Klosters immer aus derselben Dynastie gewählt: Meistens tritt die Nachfolge jeweils der älteste Sohn oder Neffe des Vorgängers an. Die Mönche selbst sind allerdings unverheiratet.
 
Im 12. und 13. Jahrhundert konnte sich der Sakyapa-Orden eine politische Vormachtstellung in Tibet sichern. Er spielte eine zentrale Rolle in den Auseinandersetzungen mit den benachbarten Mongolen zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Die Intervention Sakya Panditas, der damals Abt des Sakya-Klosters war, verhinderte die Plünderung Tibets durch die Mongolen mit einer Tributzahlung an Dschingis Khan. Zusammen mit seinem Neffen Phagpa, seinem Nachfolger, gewann Sakya Pandita zunehmend das Vertrauen der Mongolen. Diese beiden trugen auch zur Übersetzung der buddhistischen Schriften ins Mongolische bei, was die Ausbreitung des Buddhismus wesentlich förderte. Der mongolische Herrscher Kubilai Khan (* 1215, ✝ 1294) verlieh Phagpa später den Titel eines Vizekönigs von Tibet. Damit entstand erstmals eine Verbindung von geistlicher und weltlicher Macht, da die Äbte des Sakya-Klosters damit zu politischen Oberhäuptern des Landes aufrückten. In der Folgezeit sollte dies zur wachsenden Politisierung der tibetischen buddhistischen Orden führen, die miteinander um die Macht zu streiten begannen, was später zu einer wachsenden Gefahr für die politische Einheit und Unabhängigkeit Tibets werden sollte. Als der Großkhan Kubilai 1279 Kaiser von China wurde, flossen dem Sakyapa-Orden weitere Reichtümer zum Ausbau und zur Verschönerung seiner Klöster zu. Die vorteilhaften Beziehungen der Sakyapa zu den Mongolen veranlasste schließlich die Großlamas der anderen Orden, sich zur Festigung ihrer Machtpositionen in Tibet in ähnlicher Weise unter den Schutz mongolischer Fürsten zu stellen. Damit begann auch die Einmischung Chinas in die inneren Angelegenheiten Tibets.
 
Der Begründer des dritten großen Ordens, der Kagyüpa-Schule, war der aus Südtibet stammende Marpa (* 1012, ✝ 1097). Als Schüler des bedeutenden tibetischen Lehrmeisters Dogmi, des Wegbereiters der Sakyapa-Tradition, ließ sich Marpa als Übersetzer für die in Sanskrit verfassten buddhistischen Schriften ins Tibetische ausbilden. Dogmi war es auch, der Marpa zur weiteren Ausbildung zum Mahasiddha Naropa nach Indien entsandte. Dort betrieb Marpa weitere Studien zur buddhistischen Lehre und ihren Geheimtexten. In historischen Texten wird er als schwieriger Charakter bezeichnet, hinter dem ein raues Leben lag, und erst Dogmi soll es gelungen sein, ihn zur Vernunft zu bringen.
 
Grundlage des Kagyüpa-Ordens sind die Lehrsysteme der Mahasiddhas aus Indien, für die eine intensive Lehrer-Schüler-Beziehung maßgeblich ist. Diese Lehren beinhalten einen abgekürzten Weg zur Erleuchtung durch unterschiedliche, ganz bestimmte geheime Techniken und Meditationswege. Marpas berühmtester Schüler ist Milarepa, der seine als Einsiedler gesammelten meditativen Erfahrungen in Form von Gesängen niedergelegt hat.
 
Der Begründer der vierten großen Schulrichtung des tibetischen Buddhismus war der Gelehrte Tsongkhapa (* 1357, 1419). Die Anhänger seiner Schule werden als Gelugpa (die Tugendhaften) bezeichnet, da sie sich besonders strengen Ordensregeln unterwerfen, wozu auch die Einhaltung des Zölibats gehört. Auch Tsongkhapa wurde unter anderem von einem bedeutenden Sakyapa-Lehrmeister, Redawa, ausgebildet. Der neue Orden berief sich in seiner Lehrtradition in fast allen Fragen der Ethik und der Philosophie sowie des Rituals auf die zahlreichen Schriften seines Gründers Tsongkhapa, dessen wichtigstes Werk, »Der Stufenweg zur Erleuchtung«, zur geistigen Richtschnur der Schule wurde. Die darin enthaltenen Erläuterungen sind Auslegungen verschiedener Geheimtexte.
 
Zu einer bis heute bedeutsamen Institution innerhalb des Ordens entwickelte sich der Brauch, die Nachfolge der Klosteräbte zu regeln, indem der neue Abt jeweils als Wiedergeburt (Reinkarnation) des zuletzt Verstorbenen »wieder entdeckt« wurde. Bei den Großlamas wurde diese Wiederentdeckung mithilfe von Prophezeiungen und andereren Hinweise vorgenommen. Auf diesem Hintergrund entstanden auch die Inkarnationsreihen der Dalai Lamas sowie der Pantschen Lamas, die bis in die Gegenwart reichen. Der Pantschen-Lama ist das zweitwichtigste religiöse Oberhaupt Tibets. Zur Wiederentdeckung des Dalai Lama und des Pantschen Lama wurde außerdem das Staatsorakel zurate gezogen. Während jedoch die Dalai Lamas als Verkörperungen Avalokiteshvaras, des Boddhisattvas des unendlichen Mitleids, verehrt werden, gilt der Pantschen Lama als Erscheinung des Vollendeten mystischen Buddha Amitabha. Der Titel eines Dalai Lama (=mongolisch »Ozean-Lehrer« oder »Weltmeer-Lehrer«; der, dessen Wissen so tief und weit wie ein Ozean ist) wurde im 16. Jahrhundert erstmalig von einem mongolischen Fürst verliehen. Die Mongolen setzten auch im 17. Jahrhundert den großen fünften Dalai Lama, Losang Gyatso, zum Oberhaupt von ganz Tibet ein, wodurch die Grundlage für den schließlich entstehenden lamaistischen Kirchenstaat gelegt wurde, in dem die Gelugpa-Mönche, die nach ihrer gelben Kopfbedeckung benannten »Gelbmützen«, zum herrschenden Orden wurden.
 
Dr. Susanne von der Heide

Universal-Lexikon. 2012.

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